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Arianna Bisaz

Die Macht der Untersaaten

In diesem Blogbeitrag wollen wir Werbung machen. Werbung für eine alte Tradition, die mit dem Aufkommen von Herbiziden und Konsortien leider in Vergessenheit geraten ist.


So unspektakulär Untersaaten daherkommen, so schwächlich sie zu Anfang stehen - ihr Nutzen ist mächtig und ihre Wirkung äusserst sichtbar.


Vielfältige abfrierende Untersaat in Raps (Bild: Alex von Hettligen)


Untersaat & co


Unter Untersaat versteht man das Etablieren einer zweiten Frucht unter einer Hauptkultur auf dem gleichen Acker. Untersaaten schlummern in den meisten Kulturen lange kleinwüchsig vor sich hin – eingeengt und beschattet. Sobald aber die Hauptkultur abgeerntet wird, bekommt sie Licht und Platz und wächst, begrünt und durchwurzelt sofort den abgeernteten Acker.


Untersaaten werden etwa in Getreide, Mais, Sonnenblumen, Kohlgemüse oder Kürbis angelegt und werfen eine Kaskade von Benefits ab, wie wir gleich sehen werden.



Warum Untersaaten?


Für Photosynthese und den Bodenstoffwechsel...


Ausgerechnet im Hochsommer, wenn die Sonne am höchsten steht und am meisten Energie liefert, stellt abreifendes Getreide die Photosynthese ein und liefert kaum mehr Wurzelexsudate an das Bodenleben. Dieses hungert und stirbt ab, der Bodenstoffwechsel kommt zum Erliegen: Die viele Sonnenenergie bleibt ungenutzt und heizt ungebremst Boden und Luft auf.


Bildserie: Entwicklung einer Sojauntersaat in einem Weizenfeld. Quelle: Vernoux.org


Ist eine Untersaat angelegt, übernimmt diese nach Abreifen des Getreides auf der «unteren Etage» die Photosyntheseproduktion und somit auch die Fütterung des Bodenlebens. Perfekt: Die hohe Sonnenenergie wird genutzt und das Bodenleben erhält weiterhin geregelte Mahlzeiten.


Eine Untersaat maximiert die Photosynthese und schliesst die Ernährungslücke der Bodenorganisment zwischen der Abreife der Hauptkultur und der vollen Entwicklung einer Folgekultur oder Zwischenfrucht (Näser:45).


… für Vielfalt im Feld ….


A propos Mahlzeit: Jede Pflanzenart ernährt spezifische Gruppen von Mikroorganismen mit ihrer jeweiligen Eigenart ganz nach ihrem «Gusto». Je vielfältiger die Pflanzengemeinschaft, desto vielfältiger die Gemeinschaften von Bodenmikroben.


Erst wenn verschiedene Gemeinschaften von Bodenmikroben und auch Pilze gedeihen, entfaltet sich das volle Potential des Bodenlebens: Humusaufbauende und symbiontische Prozesse, die generell zu gesünderen Pflanzen führen, und damit zu weniger Abhängigkeit von externen Inputs (wie z.B. Pflanzenschutz- und Düngebedarf) sowie stabileren Erträgen mit höherer Wertschöpfung.


Die Untersaat ist eines der wichtigsten Elemente der regenerativen Landwirtschaft.

Gerade die Zeitfenster des Hauptfruchtanbaus bieten ein hohes, oft ungenutztes Potential für Humusaufbau. Indem wir konsequent vielfältige Untersaaten in unsere Kulturen und Anbauverfahren integrieren, nutzen wir dieses Potential.


Bereits eine kleine Menge biodiverses Saatgut pro Hektar löst einen grossen Mischkultureffekt aus: Die Pflanzengesundheit und Nährstoffaufnahme werden deutlich verbessert und die humusaufbauenden Prozesse kommen in Gang (Näser:45).


Sofern die Bodenchemie und -physik in Ordnung gebracht sind, kann man mit dem Mittel der Vielfalt sogar Krankheits- oder Unkrautprobleme in den Griff bekommen, die mit herkömmlichen Mitteln nicht beherrschbar sind (Näser:52).


… für den Humusaufbau und die Nährstoffspeicherung ….


Die Integration von Untersaaten fördert die Huminstoff- bzw. Humusbildung. Während des vegetativen Wachstums der Pflanzen werden an den lebenden Pflanzenwurzeln über die Wurzelexudate und das Glomalin von Bodenpilzen Huminstoffe gebildet. Das legt uns die neue Humustheorie nahe.


Wird ausserdem eine Untersaat vor Aussaat der nächsten Haupt- oder Zwischenfrucht gemulcht und als Flächenrotte oberflächlich in den Boden eingearbeitet, erhält das Bodenleben zusätzlichen energiereichen Pflanzensaft, den es verstoffwechselt und in weitere Huminstoffe umwandelt (Bodenkurs im Grünen).


Bild: Anlage und Wachstum einer Kartoffeluntersaat. Die Untersaat verhindert die Spätverunkrautung und späte Knollenschäden, indem sie vom Drahtwurm und von anderen Pathogenen ablenkt (Näser:53). Zudem bietet sie zahlreiche Vorteile wie Erosionsschutz, Steuerung der Temperatur und Evaporation des Bodens nach Absterben der Kartoffelpflanzen und Akkumulation überschüssiger Nährstoffe. Sie trägt zudem zum Humusaufbau bei. Bildquelle: inzwischen gelöschte Seite von humusbewegung.at


Auch das Wurzelmaterial verbessert die Humusbilanz: Studien deuten darauf hin, dass fünf Mal mehr abgestorbenes Wurzelmaterial in Humus eingebaut und stabilisiert wird, als eine entsprechende Menge oberirdischer Streu (Jackson et al).


Die geschlossene Pflanzendecke und der gezielte Humusaufbau bringen viele positive Effekte mit sich: Gute Bodenstruktur (siehe u.a. Thema passive Verdichtung weiter unten), weniger Erosion, weniger Unkraut und Mäuse sowie höhere Wasserinfiltation und -speicherung.


Ausserdem werden die Redox-Reaktionen gepuffert. Die Bodenbiologie bindet die Nährstoffe «pflanzenverfügbar» und verhindert, dass diese von Niederschlägen ausgewaschen werden, was nicht nur die Nährstoffbilanz verbessert, sondern auch gesündere Pflanzen hervorbringt und das Grundwasser schützt.



… für Resistenz bei Trockenheit …


Nach herkömmlichem Verständnis verbrauchen wachsende Pflanzen Wasser, weshalb sie den Boden austrocknen. Zusätzliche Pflanzen, also beispielsweise Untersaaten, wirken sich nach dieser Anschauung auf dem Acker auf die knappe Ressource Wasser negativ aus und konkurrenzieren die Hauptkultur.


Doch gemäss Dietmar Näser dominiert auf einem vielfältig und dicht bestandenen Feld ein ganz anderer Prozess, und dieser wirkt «wasservermehrend»:


Pflanzen produzieren mit der Photosynthese bekanntlich Sauerstoff, Wasser und Zucker. Ein Teil dieses Zuckers wird über die Wurzeln wieder ausgeschieden und im Boden von den Mikroorganismen konsumiert. Bei dieser "Veratmung" des Zuckers wird die Energie aus der Photosynthese zurückgewonnen. CO2 entweicht sowie: Wasser. Und dieses Wasser macht den Boden feucht.


Je mehr Wurzeln im Boden vorhanden sind und je besser die Photosyntheseleistung der Pflanzen ist, desto mehr Bodenfeuchte bildet sich im Boden - und dies auch bei trockenen Bedingungen. Grüne Pflanzendecken steigern also die Trockenheitsresistenz der Kulturen!


... für Kühlung bei Hitze ...


Grüne Pflanzendecken bringen aber noch weitere Vorteile:

  • Viele Pflanzen "schwitzen" viel und wirken damit kühlend auf das lokale Klima (siehe Wasser, Humus und das Klima).

  • Der Boden bleibt gerade im Hochsommer insgesamt kühler und ist geringeren Temperaturschwankungen ausgesetzt.

  • Durch die geringeren Bodentemperaturen werden die Mineralisierungsprozesse gebremst: Es wird weniger Kohlenstoff verbrannt und somit mehr Stickstoff im System zurückbehalten. Denn mit jedem Kilo C, gehen circa 100 Gramm N verloren (Felgentreu, 2020).


... und gegen Bodenverdichtungen


Je nachdem, welche Bodenschichten betroffen sind, senken Verdichtungen die Bodenfruchtbarkeit massiv.


Aktive Bodenverdichtung geschieht bei landwirtschaftlichen Tätigkeiten durch schwere Maschinen. Sie ist räumlich begrenzt und umso ausgeprägter, je nasser die Witterung ist. Die passive Bodenverdichtung geschieht hingegen ganz von allein. Und zwar immer, wenn ein Boden nicht durchwurzelt ist, und insbesondere bei unausgewogenen Nährstoffverhältnissen. Sie erstreckt sich über die gesamte unbewachsene Fläche. Passive Verdichtung bleibt oft unerkannt.


Untersaat in Mais. Die Pflanzendecke fängt das Gewicht der Erntetechnik ab. Nach der Ernte schliesst sich die Bedeckung schnell und die Pflanzengemeinschaft füttert das Bodenleben bis zu nächsten Bearbeitung durch. (Bild: Alex von Hettlingen)


Beide Arten der Bodenverdichtung werden durch Untersaaten deutlich reduziert bzw. behoben (Näser:36ff): Die aktive Bodenverdichtung, da die Pflanzen der Untersaaten bei der Ernte der Hauptkultur die Tragfähigkeit des Bodens erhöhen und dadurch Bodenschäden minimieren. Die passive Unterbodenverdichtung, indem die Bodenteilchen durch die Synergien von Pflanzen und Bodenleben in Krümeln gebunden sind, welche dem Boden eine luftige Struktur verleihen.


Kleines Warnschild


Artenvielfältige Untersaatmischungen wirken besser und bringen mehr Vorteile; Artenarmut in Gemengen bringt hingegen zu wenig gesundheitsfördernde Wirkung für die stehende Kultur und zu wenig Nährstoffnachlieferung für die Folgekultur (Näser:45ff). Idealerweise werden acht und mehr Pflanzenarten vermengt.


Für erfolgreiche Untersaaten sollte man zudem die zahlreichen Anbau- und Wetterparameter gut im Griff haben, die örtlichen Gegebenheiten kennen und der Unkrautdruck sollte eher tief sein. Man braucht etwas Experimentierfreude, Geduld und wie immer - eine Prise Glück.


Wer konkrete Empfehlungen oder weitergehende Inspiration sucht, findet Links und Literaturquellen unterhalb dieses Texts. Empfohlen ist auch der Austausch mit erfahrenen Landwirt*innen an deinem Online-Treff der Regenerativ-Community oder eine Beratung durch Regenerativ Schweiz.


Fazit – jetzt Biodiversität steigern mit Untersaaten!


Gemäss Christoph Felgentreu besteht die erste Aufgabe des Landwirtes darin, den Boden immer bedeckt und durchwurzelt zu halten. Die zweite Aufgabe, alle Lebewesen (ja, wirklich alle!) auf seinem Hof zu ernähren.


Bingo, das sind genau Stärken der Untersaaten! Aufgaben ab sofort delegieren!


Wir haben gesehen, dass es wichtig ist, die grösstmögliche Artenvielfalt auf unseren Feldern zu fördern. Ja, die Biodiversität auf unserem Feld wird durch Untersaaten deutlich erhöht. Die Anwendung der Technik Untersaat fördert aber auch eine Art von Diversität, und zwar jene der Palette an Massnahmen, welche uns zur Verfügung stehen, um das System Boden-Pflanze-Mikroorganismen zu unterstützen und Humusaufbau zu begünstigen.


Schöpfen wir das volle Potential - nutzen wir diese erweiterte Palette an Techniken!



Weiterbildung


Regenerativ-Treff vom Montag, 13. März 2023 um 19.30h Online-Vortrag von Christoph Felgentreu Thema Untersaaten: Welche Mischungen passen zu welchen Kulturen? Wann und wie werden sie eingesät?


Online-Kurs: Einführung in die regenerative Landwirtschaft: https://kurs.regenerativ.ch/courses/einfuhrungskurs-regenerative-landwirtschaft


Quellen / Links


Bodner Gernot, Keiblinger Katharina (2020): Neue Humustheorie als Leitfaden für innovatives Bodenmanagement? Inform - Zeitschrift für Pflanzenzüchtung und Saatgutproduktion (Linz), 2/2020, 15-18. Einfacher zu finden unter: Humustheorie bringt Innovation im Bodenmanagement | SAATBAU LINZ

Jackson B. Robert et al (2017): The Ecology of Soil Carbon: Pools, Vulnerabilities, and Biotic and Abiotic Controls in Annual Review of Ecology, Evolution, and Systematics, Vol. 48:419-445

Näser Dietmar (2020): Regenerative Landwirtschaft (Ulmer Verlag)

Näser Dietmar, Wenz Friedrich (2021): Bodenkurs im Grünen (Skripts, Präsentationen)


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