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Alex von Hettlingen

Regenerativ à la Syngenta

Aktualisiert: 25. Mai 2022

Erik Fyrwald sorgt sich um die Nahrungsmittelversorgung der Menschen – nicht zu Unrecht.


Aber im Interview in der "NZZ am Sonntag" vom 6. Mai 2022 behauptet der CEO des Agrochemie-Konzerns Syngenta doch tatsächlich,

  • dass Bio dem Klima schade,

  • dass Menschen in Afrika hungern, weil wir hier immer mehr Bioprodukte essen,

  • und dass regenerative Landwirtschaft eine Kombination von Bio-Fruchtfolge, gezieltem Einsatz von Pestiziden und genmanipulierten Pflanzen sei.


Greenwashing von Syngenta
Bild: NZZ am Sonntag vom 6.5.2022

Unsinn in derart hoher Konzentration habe ich schon lange nicht mehr gelesen. Es ist skandalös, wie die «NZZ am Sonntag» die offenkundig falschen Aussagen und eine verantwortungslos verkürzte Argumentation kaum hinterfragt und das Interview unter dem reisserischen Titel «Bio schadet dem Klima» schamlos verkauft. Mir wird ganz anders, wenn ich darüber nachdenke, wie viele Leute den Märchen des Syngenta-Chefs vielleicht sogar Glauben schenken.


Natürlich nutzt Fyrwald angesichts der angespannten Versorgungssituation die Gunst der Stunde, um agrarpolitische Massnahmen zu propagieren, die der Agrarindustrie und insbesondere seinem Unternehmen dienen. Und leider werden wir von der Agrar- und Nahrungsmittellobby und ihren Politikern schon bald noch viel mehr solche Argumente hören. Wir kennen diese Märchenstrategie bereits von der Petroindustrie.


In einem Punkt liegt Fyrwald allerdings richtig: Uns steht eine dramatische Ernährungskrise bevor.

Nicht nur wegen des aktuellen Krieges in der Ukraine, sondern insbesondere auch wegen der laufend fortschreitenden Bodenzerstörung durch die industrielle Landwirtschaft. Immer mehr Äcker verfügen über weniger als 2 oder gar 1% Humus. Die Übernutzung der Böden führt dazu, dass die Landwirtinnen und Landwirte – sehr zur Freude von Syngenta und co. – von Jahr zu Jahr mehr Geld in Maschinen, Dünger und Pflanzenschutzmittel stecken müssen, um das Ertragsniveau einigermassen halten zu können.


Die regenerative Landwirtschaft indessen zielt darauf ab, durch strikte Einhaltung der Prinzipien und Methoden der regenerativen Landwirtschaft die Böden wiederzubeleben und aufzubauen – eben, zu regenerieren – und zwar bei voller und rentabler Produktion.



Der Aufbau der Bodenorganismen wird durch die regenerative Bewirtschaftung aktiv gefördert und in der Folge steigt der Humusgehalt.

Ab einem Humusgehalt von 5 bis 6% gewinnt der Boden seine Eigendynamik zurück.

Das heisst, die Bodenlebewesen in einem gesunden, humusreichen Boden das Nährstoffgleichgewicht und die Verfügbarkeit der Nährstoffe für die Pflanzen ohne weiteres Zutun selbständig managen. Die Landwirtin schliesst die Nährstoffkreisläufe und muss höchstens punktuell düngen. Wie sich ein lebendiger, mikrobiell aktiver Boden auf die Pflanzengesundheit und Schädlingsresistenz auswirkt, haben wir in diesem Blog bereits mehrfach thematisiert.


Nichts spricht gegen den ausnahmsweisen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in Notsituationen. Ein humusreicher und gesunder aktiver Boden kann diese nach Erfüllung ihrer Aufgabe problemlos abbauen und verhindert so, dass schädliche Chemikalien in Oberflächen- oder Grundgewässer gelangen.


Meines Erachtens hat die Genom-Editierung im Klimakontext eine sehr bescheidene Berechtigung. Und nur, wenn sie als Teil einer grundsätzlichen Transformation der Landwirtschaft und der Ernährung betrachtet und umgesetzt wird. Allerdings ist davon auszugehen, dass die Genom-Editierung durch Unternehmen wie Syngenta dazu benutzt wird, immer mehr Kulturpflanzen und Saatgut zu privatisieren und die Produzentinnen und Produzenten weltweit in neue bzw. noch grössere Abhängigkeiten zu stürzen.


Die systematische Kombination von Direktsaat, Pestizideinsatz und genmanipulierten Pflanzen, wie sie Fyrwald propagiert, hat mit regenerativer Landwirtschaft rein gar nichts zu tun!

Ja, die Direktsaat verlangsamt den CO2-Eintrag in die Atmosphäre, da der Pflug nicht mehr zum Einsatz kommt. Aber bei systematischem Einsatz von Glyphosat kann der Boden das Pestizid nicht mehr verarbeiten. Das aufbauende Bodenleben wird abgetötet und abbauende Organismen nehmen Überhand. Der Humus gast langsam aber sicher in die Atmosphäre aus. Die Böden fallen in sich zusammen und können kaum noch Wasser und Nährstoffe speichern.


Die Ertragszahlen der regenerativen Landwirtschaft sind heute noch tiefer als diejenigen der «konventionellen». Falls wir aber unsere Lebensmittelproduktion nicht massiv anpassen, werden bald schon weite Teile unserer Agrarflächen unfruchtbar.


Spätestens dann wird niemand mehr über die heute behaupteten Differenzen von 20 oder 50% Minderertrag reden. Denn dann werden die regenerierten Böden die gesamte Nachfrage nach Nahrungsmitteln decken müssen.

Um die bevorstehende globale Nahrungsmittelkrise zu bewältigen, brauchen wir intelligente und ganzheitliche Konzepte. Fyrwalds Ansatz ist aber weder intelligent noch modern und schon gar nicht regenerativ!


Das Interview zeigt nur allzu deutlich, dass Konzerne wie die Syngenta lieber an ihrer öffentlichen Wahrnehmung arbeiten als an echten Veränderungen.


Greenwashing pur. Leider.



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