«Good plasticultural practice» - was kannst du tun?
Wie wir im vorhergehenden Blogbeitrag "Mikroplastik in unseren Böden" gesehen haben, gelangt Mikroplastik nicht nur über die Luft, Regen oder verseuchten Kompost in unsere landwirtschaftlich genutzten Böden, sondern auch via Düngemittel, Pflanzenschutzmittel, beschichtetes Saatgut und über diverse landwirtschaftliche Gebrauchsmaterialien.
Um zukünftige Freisetzungen von Plastik mit ihren potentiell verheerenden Konsequenzen wo immer nur möglich zu unterbinden, gibt es diverse Ansatzpunkte und Strategien. Gegen herangewehtes, angeschwemmtes oder anderswie passiv «importiertes» oder sich schon im Boden befindendes Plastik kann nicht viel getan werden.
Neue, selbst verursachte Plastikeinträge können je nach Kultur und Anbaupraxis allerdings gezielt reduziert werden. Wir skizzieren eine mögliche Herangehensweise.
1. Schritt: Grösste Plastikeinträge identifizieren
A. Hinschauen
Analysiere in einem ersten Schritt deinen Plastikeinsatz. Die folgenden Fragen und Illustrationen helfen dir, die Vielfalt an eingesetzten Plastikprodukten auf deinem Betrieb zu identifizieren (du wirst staunen, wie lange deine Liste wird):
Welche sind deine wichtigsten nutzbringenden Plastikprodukte – d.h. Plastikprodukte, bei denen die Eigenschaften des Plastikmaterials erwünscht sind und welche gezielt eingesetzt werden, z.B. diverse Netze und Folien, Markierungsbänder, Siloballenfolien usw.?
Welches sind deine unerwünschten Plastikeinträge – d.h. Plastikeinträge ohne landwirtschaftlichen Nutzen, z.B. Littering, plastikkontaminierter Kompost, verunreinigtes Gärgut usw.?
Schreibe dir deine wichtigsten nutzbringenden Plastikmaterialien sowie deine wichtigsten Quellen von unerwünschten Plastikeinträgen auf einer Liste auf.
B. Vergleichen
Schaue in einem zweiten Schritt in der Tabelle unten in der Spalte Eintragsrate in % nach, welche Produkte deiner Liste die höchsten Eintragsraten haben, und markiere diese. Deine eigenen Beobachtungen helfen dir auch bei deiner Einschätzung (die Tabelle unten ist nicht vollständig).
C. Auf Schädlichkeit kontrollieren
Finde in einem dritten Schritt heraus, ob es sich bei deinen markierten Plastikprodukten wirklich um problematische, im Boden kaum abbaubare Kunststoffe wie PE oder PP handelt. Falls dem so ist, lasse sie in deiner Liste stehen. Handelt es sich und abbaubare Kunststoffe (fossilen oder nachwachsenden Ursprungs), kannst du sie von deiner Liste streichen. Die Abbildung unten kann dir bei der Kategorisierung helfen.
Kunststoffe können verschiedene Kombinationen von Ausgangsstoffen mit unterschiedlichen Abbaubarkeitsgraden bezeichnen. Kunststoffarten, welche durch Mikroorganismen biologisch abbaubar sind, können aus fossilen als auch nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden. ISO-Zertifizierungen wie z.B. DIN 17033 geben Auskunft über die biologische Abbaubarkeit von Kunststoffen. Materialien wie Polyethylen PE (z.B. Kunststofffolien), Polypropylen PP (z.B. Material für Behälter) sowie Polyvinylchlorid PVC (z.B. Bewässerungssysteme) gehören zu den nicht abbaubaren konventionellen Kunststoffen.
Nun hältst du eine bereinigte Liste mit markierten Plastikprodukten und -quellen mit hoher Eintragsrate in der Hand, die deine grössten Hebel darstellen, um deine selbst verursachten Plastikeinträge zu reduzieren.
2. Schritt: Alternativen für die problematischen Plastikprodukte finden
Auch wenn ein vollständiger Verzicht auf alle problematischen Kunststoffe zurzeit meist nicht möglich ist, so kannst du den Plastikverbrauch und -eintrag in vielen Fällen optimieren.
Versuche nun also für die markierten Plastikprodukte und -quellen alternative Produkte oder Vorgehensweisen zu eruieren. Folgende Punkte können dir bei deinen Reflektionen und Lösungsfindungen für deine spezifische Situation nützlich sein:
Sammlung, Wiederverwendung und Recycling
Kunststoffe, die nach Gebrauch vollständig eingesammelt werden, können im Sinne der Kreislaufwirtschaft wiederverwendet oder recycelt werden. Das Einholen und Wiederverwerten (bzw. Recycling) von Kunststoffen ist aus Ressourceneffizienzsicht umweltfreundlicher als die Kompostierung von bioabbaubaren Kunststoffen. Sie ist die wichtigste Massnahme zur Eindämmung der Kunststoffverschmutzung durch die Landwirtschaft. Wähle bei deinen Plastikprodukten, wenn immer möglich, qualitativ guten und langlebigen Mehrweg statt billigen Einweg. Dickere Mulchfolien beispielsweise können mehrfach verwendet und konsequenter recycelt werden als dünne (siehe Grafik unten).
Wie aus den beiden Grafiken zu entnehmen ist, führen dünne Folien über die Jahre zu viel höheren Plastikeinträgen in den Boden – dies aus dem einfachen Grunde, dass sie oft zerreissen und einfach liegen bleiben. Obwohl dickere Mulchfolien mehr Kunststoff pro Flächeneinheit verbrauchen als dünnere Folien, lassen sie sich leichter entfernen, was die Plastikverschmutzung vor Ort stark reduziert. In China ist die «weisse Verschmutzung» von Feldern durch dünne Mulchfolien weit verbreitet. So hat das chinesische Landwirtschaftsministerium eine Erhöhung der Dicke der Folien von 8 μm auf 10 μm verordnet. Ob das wirklich zu einer höheren Rückholbarkeit führen wird? Die Mindestdicke für biologisch nicht abbaubare Mulchfolien in Europa beträgt 20-23 μm – auch bei dieser Dicke ist die Rückholbarkeit nicht immer gegeben.
Bei unvermeidbaren Plastikeintrag auf abbaubare Materialien setzen
Wenn du Plastikprodukte benutzt, welche nicht konsequent eingesammelt werden können oder in der Natur liegen bleiben - z.B. Wuchshüllen für Bäume, kleine Pflanzhilfen wie Clips, dünne schnell zerreissende Mulchfolien, polymerbeschichtete Düngemittel etc. – dann setze biologisch abbaubare (Natur-) Materialien ein. Achte darauf, dass sich diese unter den bei dir gegebenen Bedingungen tatsächlich abbauen (ISO und DIN Normen berücksichtigen).
Übernutzung der Plastikprodukte vermeiden
Plastik wird spröd und nutzt sich mit der Zeit unter physischer Einwirkung (Verlegen, Wind, Sonneneinstrahlung usw.) ab. Das Zerreissen, Zerfallen und Fragmentieren von Plastikprodukten stellen eine grosse Quelle von Plastikeinträgen dar. Prüfe regelmässig, in welchem Zustand sich deine Plastikprodukte befinden und ersetze sie rechtzeitig mit neuem Material.
Bisherige Praktiken hinterfragen und neue erproben
Manchmal kann der Plastikverbrauch reduziert werden, indem die bisherige Praxis verändert wird oder auf bestimmte Anwendungen verzichtet wird. Verwendest du deine Plastikprodukte rationell und verantwortungsbewusst? Könntest du Verfahren und Nutzungspraktiken einführen, die die Verwendung von gewissen Kunststoffen überflüssig machen? Können deine Mulchfolien z.B. durch Strohmulch, der Etablierung von Untersaaten oder mehr Bodengesundheit (und dadurch weniger Unkrautdruck) überflüssig gemacht werden?
Gut klingende Alternativen kritisch hinterfragen!
Die Alternativen zur Minimierung deiner Plastikeinträge müssen allerdings genau unter die Lupe genommen werden. Sie könnten auf den zweiten Blick umwelt- oder klimaschädigend sein und den sozio-ökologischen Fussabdruck deines Hofes sogar vergrössern. Sei vorsichtig mit gewissen Ersatzmaterialien für Plastik wie z.B. Naturkautschuk, dessen Anbau problematisch sein kann (hoher Wasserverbrauch, Verdrängung des Anbaus von Nahrungsmitteln, Zerstörung des Regenwaldes etc.).
Frage nach, mache Druck, fördere Innovationen
Frage bei deinen Lieferanten nach, inwiefern Innovationen im Materialdesign möglich sind, um die Plastikprodukte vermehrt auf vollständige Sammelbarkeit, Recyclingfähigkeit und Wiederverwendung auszurichten. Fordere die Einführung und Durchsetzung erweiterter Herstellerverantwortung und unterstütze Verhaltens- und Produktionsänderungen entlang der gesamten Lieferkette.
Verlange Informationen zur eventuellen Plastikkontaminierung bei zugekauftem Kompost oder Gärgut (Kontrollberichte, technische Aufrüstung der Anlagen, Menge der angenommenen nicht-landwirtschaftlichen Abfälle etc.). Suche bei Bedarf nach alternativen Lieferanten am Markt.
Zu guter Letzt: Mach beim Projekt SoilPlastic mit
SoilPlastic ist ein europäisches Forschungsprojekt, bei dem unter Mithilfe von interessierten Laien Daten über Plastik in Böden gesammelt werden. Ziel des Projektes ist es, gegenwärtige Wissenslücken zu füllen und mehr über Arten, Mengen sowie Auswirkungen von in Boden gelangendes Plastik zu erfahren. Für die Teilnahme ist keinerlei Vorwissen nötig und du kannst deine Beobachtungen in wenigen Minuten in der SoilPlastic App eintragen. Infos & App hier. Danke, dass du mithilfst, die Plastikforschung voranzutreiben und die Auswirkungen von Plastik auf das Universum Boden besser zu verstehen!
Quellen
RilligLab - Life in the Soil (you tube channel von Matthias C. Rillig)
Matthias C. Rillig et al: The Global Plastic Toxicity Debt. Environ. Sci. Technol. 2021, 55, 2717−2719.
Matthias C. Rillig et al: The Soil Plastisphere. Nature Reviews Microbiology 2024, Vol. 22, 64–74
Dong Zhu et al: Soil plastispheres as hotspots of antibiotic resistance genes and potential pathogens. The ISME Journal volume 2022, Vol 16, 521–532.
So gelangen Plastikteilchen in die Pflanzen – und in unser Essen (Artikel, 2022)
Mikroplastik beeinflusst Pflanzenwachstum (Artikel, 2020)
Maria Elvira Murazzi et al: Can forest trees take up and transport nanoplastics? iForest - Biogeosciences and Forestry 2022, Volume 15, Issue 2, 128-132.
Liu Yingying et al: Uptake and translocation of nano/microplastics by rice seedlings: Evidence from a hydroponic experiment. Journal of Hazardous Materials 2022, Volume 421, 126700
WWF Australia / The University of Newcastle: No plastic in nature: assessing plastic ingestion from nature to people (2019)
Kieran D. Cox et al: Human Consumption of Microplastics. Environ. Sci. Technol. 2019, 53, 12, 7068–7074
Frauenhofer Umsicht (2018): Kunststoffe in der Umwelt: Mikro- und Makroplastik
Frauenhofer Umsicht (2021): Kunststoffe in der Umwelt: Emissionen in landwirtschaftlich genutzte Böden
Welt aus Plastik – wie der Mensch die Erde verändert (Artikel, 2023)
Plastikatlas 2019, Heinrich Böll Stifung
Micro- and Nano-Plastics is agricultures soils (Minagris Project, 2021-2026)
Tong Li et al (2023): Micro- and nanoplastics in soil: Linking sources to damage on soil ecosystem services in life cycle assessment. Science of The Total Environment, Volume 904
Mikroplastik -das Quäntchen zu viel? (Artikel, 2023)
Kalberer A., Kawecki-Wenger D., Bucheli Th. (2019): Plastikströme in der Schweizer Landwirtschaft und ihr Risikopotenzial für Böden. Agrarforschung Schweiz 10 (11+12), 416–423
Muhammad Salaam et al (2023): Effects of micro(nano)plastics on soil nutrient cycling: State of the knowledge. Journal of Environmental Management, Vol. 344, 118437
Thilo Hoffmann et al (2023): Plastics can be used more efficiently in agriculture. Communications Earth & Environment, volume 4, Article number 332
ความคิดเห็น