Das Treibhausgas Kohlenstoffdioxid und seine «Kyoto-Protokoll-Kollegen» Methan, Lachgas & Co. seien DIE Ursache der Klimaderegulierung und -erwärmung - so behauptet es zumindest prominent das Intergovermental Panel on Climate Change IPCC.
Diese Gase (nennen wir sie hier der Einfachheit halber einfach «CO2») seien daher auch DIE Verursacher deren immer gravierender auftretenden Symptome wie Trockenperioden, Dürren, Überschwemmungen und Brände.
Ist diese uns so penetrant vor die Nase geführte CO2-Problematik die gesamte Story?
Die «vergessene» Geschichte
Nein, es gibt es noch eine zweite – ebenso unbequeme – Hälfte der Geschichte: Die globale Verwandlung der Oberflächen unserer Kontinente.
Die globale Umgestaltung der Landschaften kann im Klimakontext, anders als das CO2-Phänomen, nicht ganz so leicht umrissen werden und ist auch in Computermodellen kaum erfassbar. Sie erhält zudem generell wenig Aufmerksamkeit, denn die Intelligenz der Natur ist im Vergleich zu den technologielastigen und patentierbaren Lösungen für die Klimagase viel schwieriger zu vermarkten.
Dazu kommt: Das wissenschaftliche Gremium für diesen Teil der Geschichte, das International Geosphere Biosphere Program IGBP, war finanziell nie reich bestückt und 2015 wurde das Programm schliesslich sang und klanglos beendet.
Es ist eine Geschichte, die weitgehend «vergessen» ging.
Der globale Wandel der Erdoberfläche
Fakt ist: Wir greifen über die CO2-Emissionen unserer Industrie- und Konsumgesellschaft nicht nur in die Strahlungsprozesse in der Atmosphäre ein, sondern über unsere Landnutzungsänderungen genauso sehr in die Grenzprozesse zwischen Erde und Atmosphäre.
Wir haben die Erdoberfläche so sehr verändert, dass wir kaum eine Ahnung davon haben, wie unser Klima bei einer ursprünglich-natürlichen Landoberfläche funktionieren würde.
Die gewaltigen Modifikationen unserer Landschaften, u.a. durch Bergbau, industrielle Expansion, Abholzung, Desertifikation, Aufgabe von Kulturland, Verstädterung und Versiegelung, haben sich im Laufe der Geschichte akkumuliert und in den letzten 50-100 Jahren stark beschleunigt.
Sie führten dazu, dass es heute praktisch keine naturbelassenen Landschaften mehr gibt. Praktisch keine! Die Folge ist, dass unsere Landstriche nur noch bedingt fähig sind, das lokale und regionale Klima zu regeln.
Der Wasserhaushalt der Erde, welcher den grössten Teil der Wärmedynamik des Planeten reguliert, ist aus dem Gleichgewicht geraten und verstärkt den Klimawandel.
Eine veränderte Landoberfläche macht sich sofort bemerkbar
Landnutzungsänderungen wirken auf lokaler bis regionaler Ebene sofort, weil sie den kleinen vertikalen Wasserkreislauf je nach Störungsgrad in einem kleinen oder größeren Massstab verändern. Denn die hydrologischen Mechanismen, durch welche Evapotranspiration, Niederschlag und Infiltration/Abfluss in einem eng umgrenzten Gebiet stattfinden, stabilisieren das lokale Klima.
Heute ist bekannt, dass der grösste Teil des Regens aus diesem sogenannt kleinen Wasserkreislauf stammt. Je weiter im Landesinneren desto mehr.
Der grösste Teil des Regens stammt aus dem kleinen Wasserkreislauf
Wenn also beispielsweise ein alleinstehender Stadtbaum gefällt oder eine Waldfläche abgeholzt wird, wird der lokale Wasser- und damit auch Wärmehaushalt an diesem Ort sofort verändert oder sogar weitgehend zerstört. Der Kühlmechanismus des Baumes bzw. Waldes wird ausgeschaltet und innerhalb weniger Stunden kann die Temperatur am besagten Ort wegen den veränderten Konditionen gewaltig ansteigen – wegen fehlender Evapotranspiration, fehlendem Schatten, veränderter Albedo etc.
Studienresultate zeigen, dass baumbewachsene Flächen in Stadtgebieten die Oberflächentemperaturen zwischen 8°C und 12°C senken und gut verdunstende Pappelstreifen auf 10% der Ackerfläche das Regionalklima in Mitteleuropa um 0.5°C – 1°C abkühlen. In Anbetracht der Tatsache, dass die Temperaturen in Europa zwischen 1991 und 2021 im Durchschnitt um 0,5°C pro Jahrzehnt angestiegen sind, ist jede kühlende Wirkung von unschätzbarem Wert!
CO2 ist hingegen in der Atmosphäre verteilt und überall vorhanden. Hier besteht der Mechanismus in der globalen Ausdehnung und der zunehmenden Konzentration des Gases, welches die ausgehende langwellige Wärmestrahlung absorbiert, den sogenannten Treibhauseffekt auslöst und den Planeten aufheizt.
Es handelt sich um einen langsamen und stetigen Prozess, der vom Menschen nicht so direkt wahrgenommen werden kann, wie die unmittelbare Hitze nach dem Kahlschlag des Stück Waldes nebenan.
Dürre, Brände und Überschwemmungen ...
Sowohl die atmosphärische Komponente (Treibhausgase) als auch die Oberflächenkomponente (veränderte Landnutzung) tragen also zur Klimaerwärmung bei - allerdings in unterschiedlichem Tempo und aufgrund unterschiedlicher Mechanismen.
Wettereignisse wie Dürre, Brände und Überschwemmungen mehren sich insbesondere, weil aufgrund von Landveränderungen der kleine Wasserkreislauf zerstört wird und die Wasservorkommen in der Landschaft drastisch abnehmen.
Die Dürre trocknet alles aus und verursacht Brände. Gibt es Brände, kommt es zu einer wachsartigen Schicht auf dem Boden, so dass der Regen – auch wegen der zerstörten Vegetation und des geschädigten Oberbodens - nicht mehr so gut versickert. Der Regen fliesst oberflächlich ab und die Wahrscheinlichkeit von Überschwemmungen nimmt zu, wodurch noch mehr wertvoller Oberboden verloren geht und die Wasserspeicherkapazität des lädierten Bodens abermals abnimmt.
Dürre, Brände und Überschwemmungen mehren sich insbesondere, weil der kleine Wasserkreislauf zerstört wurde
So kommt es leichter wieder zu Dürreperioden und die Abwärtsspirale setzt sich fort – sofern nicht der Boden und eine vielfältige Vegetation wieder aufgebaut und der kleine Wasserkreislauf wieder in Gang gesetzt wird.
Die Animationen im Video «Die Todesspirale des Wassereinzugsgebiets» der Plattform Water Stories zeigt diese Mechanismen in eindrücklicher Weise.
… versus wunderbare Wasservermehrung
Gesunde, wasserreiche Landschaften hingegen scheinen manchmal mehr und mehr Wasser zu «erzeugen». Wasser befindet sich natürlich nicht nur in Gewässern, Grundwasser und in der Luft, sondern auch im Boden und in den Lebewesen. Je mehr Kohlenstoff in Form von Humus im Boden ist, desto mehr Wasser wird im Boden und in den ober- und unterirdischen Lebewesen gespeichert.
Je mehr Wasser im Boden ist, desto mehr Vegetation kann wachsen. Je mehr Vegetation wächst, desto mehr Feuchtigkeit - und dadurch umgewandelte, sogenannte latente Wärmeenergie - wie auch Kondensationskerne für Regentropfen (schwebende Mikroben, Pilzsporen und volatile Stoffe) werden der Atmosphäre zugeführt. Diese erleichtern die Kondensation des Dampfes zu Wasser und beschleunigen in Kombination mit der Feuchtigkeit, die vom Ozean ins Landesinnere weht, seine anschliessende Rückkehr zum Land als Regen.
Gesunde, wasserreiche Landschaften scheinen mehr und mehr Wasser zu «erzeugen».
Wie viel Wasser eine Landschaft aufnehmen kann, hängt mit anderen Worten ganz einfach davon ab, wie viel Leben sie trägt. Es ist ein positiver Kreislauf, der Wasser "zeugt" und Kohlenstoff bindet mit dem Ergebnis einer verstärkten Abkühlung bzw. Mässigung des Klimas, wie die Animationen von Water Stories wiederum wunderbar zeigen:
The revived water cycle – der wiederbelebte Wasserzyklus (Video mit deutschen Untertiteln): Landveränderungen sind nicht nur vermeidbar, sondern auch umkehrbar. Richten wir unseren Fokus vermehrt auf die gestörte Landnutzung, ernten wir den Vorteil, dass wir unsere Handlungskompetenzen gewaltig steigern.
Landentwicklung ohne Unterbrechung des kleinen Wasserkreislaufs
Landnutzungsänderungen wirken sehr rasch – im schlechten wie auch im guten Sinne – auf das lokale und regionale Klima.
Umfangreiche Forschungsergebnisse zeigen, dass die Wechselwirkungen zwischen Wald bzw. Vegetation und Wasser (samt latenter Energie im Wasserdampf) die Grundlage für die Verteilung der Wasserressourcen und die Kühlung der Erdoberfläche bilden.
Landnutzungsänderungen wirken sehr rasch
Gerade die Landwirtschaft als grösste Flächennutzerin der Schweiz birgt ein enormes Klima-Regulationspotential.
Denn gesunde Landschaften mit viel aus Pflanzen verdunstendem Wasser wirken der durch Treibhausgase verursachten zusätzlichen Wärme stark entgegen und sind Voraussetzung für regelmässigere Wetterregimes. Die wasserspeichernde und klimakühlende Wirkung von Bäumen und Wäldern auf intakten Böden ist dabei vorrangig.
Die Kohlenstoffspeicherung hingegen, welche zur Reduzierung der CO2-Emissionen in der Luft beiträgt, ein sekundäres, wertvolles Nebenprodukt (siehe Video unten).
Vortrag "Vegetation hält kühl" von Walter Jehne: Das Klima kann nicht mehr mit einer Reduzierung der CO2-Emissionen «gerettet» werden, da ca. ein Drittel des menschengemachten CO2 (für den Zeitraum zwischen 1994 und 2007) vom Puffer Ozean absorbiert wurde – und dieser ausgasen wird, sollten die CO2-Konzentration in der Luft in der Zukunft deutlich abnehmen. Daher sollte auf die Speicherung von CO2 in Böden gesetzt werden – und zwar nicht wegen des Kohlenstoffabbaus aus der Luft, sondern weil durch höheren Humusgehalt der Bodenschwamm und kleine Wasserkreislauf wiederhergestellt werden und der Planet durch die Evapotranspiration der Pflanzen gekühlt werden kann (Video, Englisch).
Wassermanagement als Teil der regenerativen Landwirtschaft
Konkrete Anleitungen zum Aufbau gesunder Landschaften durch Baumreihen und Keyline Design wurden kürzlich im Regenerativ-Treff durch den Agroforst-Experten Philipp Gerhardt vorgestellt. Am Beispiel des luzernischen Demeter-Betriebs Katzhof wurde ebenso eine konkrete Umsetzung mit Fokus «slow water» gezeigt.
Eine ausführliche Projektbeschreibung des Wasserprojekts auf dem Katzhof findet sich auf der Webseite www.wasserkultur.ch.
Die Aufzeichnungen dieser beiden Vorträge können im Onlinebereich der Regenerativ-Community nachgehört werden, Infos und Probeabo.
Wer sich eingehender mit Hintergrund, Potential und wirkungsvollen Umsetzungen von «Klimalandschaften» auseinandersetzen will, dem sei das vor Kurzem erschienene Buch Aufbäumen gegen die Dürre. Wie uns die Natur helfen kann, den Wassernotstand zu beenden von Ute Scheub und Stefan Schwarzer empfohlen.
Nota: Einige Aspekte dieses Blogposts wurden in den früheren Beiträgen Wasser, Humus und das Klima sowie Gesunder Boden: Das Rezept gegen Starkregen und Dürre näher beleuchtet. Die immense Bedeutung des Puffers «Ozeane» in der Klimaregulation wird hier als Thema bewusst ausgeklammert, da wir als Landwirtinnen und Landwirte kaum Einfluss auf dessen Prozesse haben.
Quellen
Ellison D. et al (2017): Trees, forests and water: Cool insights for a hot world (research paper)
Green water cools (website)
Scheub Ute, Schwarzer Stefan (2023): Aufbäumen gegen die Dürre. Wie uns die Natur helfen kann, den Wassernotstand zu beenden. Oekom Verlag (Buch)
Schwaab, J., Meier, R., Bürgi, C., Mussetti, G., Seneviratne, S. I. & Davin, E. L. (2021): The Role of Urban Trees in Reducing Land Surface Temperatures in European Cities (research paper)
Tölle M. H et al (2014): Increasing bioenergy production on arable land: does the regional and local climate respond? Germany as a case study (research paper)
Water stories: Vegetation keeps it cool by Walter Jehne (video, 2023)
Water stories (website)
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